Compliant mit externem Personal: Balanceakt zwischen Regulierung und Flexibilität. Ein Gespräch mit Johannes Simon.

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Compliant mit externem Personal: Balanceakt zwischen Regulierung und Flexibilität. Ein Gespräch mit Johannes Simon.

Magnit July 31 2024

Kees Stroomer

Johannes Simon ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing und berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Im Gespräch mit Dr. Thorsten Koletschka erläutert er die Herausforderungen rund um das Thema Compliance und Risikomanagement in Bezug auf externes Personal.

Hier lesen Sie die Highlights. Das Gespräch in ganzer Länge finden Sie im Video.  

Dieses Gespräch wurde am 26. Oktober 2023 aufgezeichnet. Die beschriebene Rechtslage und gesetzgeberische Entwicklungen sind vor dem Kontext des Aufzeichnungsdatums zu sehen.

Welche Themen bestimmen die Zukunft der Arbeit?

Das Stichwort Flexibilität zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Gespräche rund um das Thema Zukunft der Arbeit. Auch für Johannes Simon spielt es eine bedeutende Rolle:

„Nicht erst seit der Pandemie verstärkt sich bei Arbeitnehmenden der Wunsch, Arbeit mit privaten Zielen zu verbinden. Ob festangestellt oder nicht, Modelle wie ‚Workation‘, ‚Work from anywhere‘, grenzübergreifend und flexibel zu arbeiten – der Bedarf ist da.“

Für Unternehmen ist Flexibilität ebenso wichtig. Das liegt zum einen an den volatilen Zeiten, die sich auch auf die Wirtschaft auswirken. Dadurch sind Unternehmen zurückhaltender bei Festanstellungen und brauchen flexible Personallösungen. Andererseits müssen sie sich auf einen Fachkräftemangel einstellen und auf Spezialist:innen, die nur über flexible Personaleinsatzmodelle verfügbar sind. Denn viele Fachkräfte wollen nur als freie Spezialist:innen auf Projektbasis arbeiten und verzichten auf die Sicherheit des Arbeitgebers: „Sie brauchen die Sicherheit der Unsicherheit. Sie brauchen die Flexibilität.“

Wie lässt sich Flexibilität mit den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für externes Personal verbinden? 

Aktuell besteht ein gewisses Konfliktpotenzial:

„Wir haben in Deutschland ein sehr stark reguliertes Arbeitsrecht. Dabei sagen wir eigentlich, wir wollen digitalisieren, wir wollen schneller sein, wir wollen entbürokratisieren. Aber dann kommt ein Gesetz, das wieder Papierakten erzeugt und neue bürokratische Herausforderungen stellt.“

Sei es das Thema Schriftformerfordernis im Original bei der Kündigung oder die AÜG-Reform von 2017 (Verbot von Zeitarbeit bei demselben Unternehmen über 18 Monate) – hier wird das stark regulierte Umfeld dem Flexibilisierungsbedarf nicht immer gerecht.

Was hat sich in Bezug auf temporäre Arbeitskräfte verändert?

Auch das Bild der klassischen Zeitarbeitskräfte als typische Blue-Collar-Workers trifft heute nicht mehr zu. Während die Gesetze eher diese traditionellen Gruppen schützen, gibt es inzwischen verschiedenste Formen von hochspezialisierten, hochbezahlten Fachspezialist:innen, die als Zeitarbeitnehmende tätig sind, aber von den Gesetzen eher behindert werden.

Welche rechtlichen Herausforderungen sollten Unternehmen beim Einsatz von externem Personal in Deutschland beachten?

Ein Compliance- bzw. Risikomanagement-System ist gerade im Zusammenhang mit dem AÜG besonders wichtig. Unternehmen brauchen Prozesse, die ihnen dabei helfen, Fristen zu überwachen. Denn bei Ordnungswidrigkeiten wie der Überschreitung der 18-Monats-Frist besteht die Gefahr, dass Zeitarbeitnehmende rechtlich eine Festanstellung im Unternehmen erwirken.

Auch beim Einsatz qualifizierter elektronischer Schriftformen ist spezifisches Know-how unerlässlich. Kann ich DocuSign verwenden? Welche Sicherheitsstufe ist erforderlich? Was passiert mit Werk- und Dienstverträgen, wenn Freelancer über Dienstleister ins Boot geholt werden? Bei solchen Fragen lohnt es sich, mit professionell aufgestellten Personaldienstleistungsunternehmen zu kooperieren. Ein solcher Managed Service Provider (MSP) fungiert dann als ausgelagerte Personalabteilung für den Einsatz von externem Personal und kann dies mit einem Software-gestützten Prozess verbinden.

Wie können Unternehmen Risiken im Zusammenhang mit Ordnungswidrigkeiten am besten vermeiden?

Angesichts der verschiedenen Formen von eingesetztem externem Personal, sei es Freelancer- oder Werkdienstvertragsbeauftragungen, gibt es hohe Compliance-Risiken. Unternehmen müssen bei Ordnungswidrigkeiten wie einer Fehlabgrenzung mit bis zu 30.000 Euro Ordnungsgeld pro Einzelfall rechnen.

Außerdem besteht bei einer Fehlabgrenzung das Risiko der Steuerhinterziehung, so Johannes Simon. Um diese Strickfallen zu vermeiden, rät er Unternehmen, entsprechende Prozesse und Strategien zu implementieren: Ein Compliance-Dienstleister sorgt im Vorfeld dafür, dass sämtliche Parameter berücksichtigt und der Einsatz des externen Personals rechtssicher abgebildet werden.

Wie können Führungskräfte „Compliance-fit“ bleiben?

„Unternehmen müssen regelmäßig zur ‚Compliance-Prophylaxe‘“, so Johannes Simon. Eine kontinuierliche Fortbildung ist unerlässlich für sämtliche Verantwortliche im Unternehmen, die mit externem Personal zu tun haben, von HR und Rechtsabteilung bis zum Einkauf. Sie müssen wissen, was sich verändert, und entscheiden, ob Prozesse angepasst werden müssen. Auch Mitarbeitende, die operativ mit dem Einsatz von externem Personal betraut sind, brauchen regelmäßig Schulung. All diese Prozesse müssen regelmäßig überwacht und verifiziert werden, damit die Unternehmen den nötigen Überblick behalten.

Wie lässt sich Datenschutz mit Compliance vereinbaren?

„Datenschutz ist auch eine mögliche Compliance-Stolperfalle und sollte auf keinen Fall auf die leichte Schulter genommen werden.“ Gerade bei der externen Arbeit haben es Unternehmen oft mit einer Dreiecks-Konstellation zu tun, die vieles erschwert und besondere Regelungen erfordert. Denn hier werden Daten zwischen dem Kundenunternehmen, dem Personaldienstleister und der eingesetzten Person ausgetauscht. Häufig reicht die gesetzliche Grundlage nicht aus, daher muss das Personaleinsatzmodell mit einer vertraglichen Regelung flankiert werden – gerade auch bei internationalen Tätigkeiten. Auch für den Datenschutz wird also ein Modell benötigt, das Personaldienstleister bzw. MSP liefern und auf die Anforderungen der Kunden zuschneiden.

Welche Entwicklungen oder ausstehenden Gesetzgebungsverfahren sollten Unternehmen im Blick behalten?

Die angedachte Reform der Pflege im Krankenhausbereich könnte den Einsatz von externem Personal in diesem Bereich zusätzlich erschweren. Auch die Reform des Arbeitszeitrechts und die Frage, wie mit der Arbeitszeiterfassung umgegangen wird, wirkt sich auf die normale Festanstellung und auf die Zeitarbeit aus. Die künftigen Regelungen zum Umgang mit KI im HR-Bereich erwartet Johannes Simon ebenfalls mit Spannung. Denn: „Wegzudenken ist das Thema KI nicht, wenn Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben möchten.“

Sie möchten mehr über die Herausforderungen rund um Compliance und externes Personal aus der Sicht von Johannes Simon erfahren? Hier geht’s zum Interview.

Haftungsausschluss: Dieser Blog dient nur zu Informationszwecken und kann nicht als Rechtsberatung oder als Ersatz für eine Rechtsberatung ausgelegt werden. Der Blog spiegelt die Meinung von Magnit wider und ist nicht als juristische Lösung oder Position zu verstehen. Wenn Sie eine spezielle Beratung und Anleitung für bestimmte Probleme oder Fragen benötigen, wenden Sie sich bitte an einen Anwalt.

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