Magnit | June 27 2024
Anna Tillmann ist Part-Time PhD Candidate und Expertin für Einkaufsmanagement und Beschaffung und arbeitet an ihrer Doktorarbeit zum Thema plattformbasiertes Arbeiten. Im Gespräch mit Simon Läpple von Magnit beleuchtet sie die jüngsten Entwicklungen aus akademischer Perspektive.
Hier entdecken Sie die Top-Insights zusammengefasst. Oder schauen Sie sich das komplette Gespräch im Video an.
Was bedeutet Worktopia, die Vision der idealen Arbeit, für Anna Tillmann? Sie versteht darunter vor allem Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg.
„Sowohl Unternehmen als auch einzelne Mitarbeitende müssen verstehen, dass flexible Arbeitszeiten, flexible Arbeitsorte, aber auch flexible Arbeitstypen in Form von temporärer Arbeit, Freiberuflichkeit oder auch als Gigworker immer wichtiger werden.“
Statt klassische Vollzeitstellen in einer bestimmten Position zu befüllen, geht es darum, Menschen ganz flexibel und kurzfristig für ein spezielles Thema oder ein besonderes Projekt ins Unternehmen zu holen.
Dabei kann der Einsatz von externem Personal über ein Vendor Management System oder auch Auftragsvergaben über sogenannte Gigwork-Plattformen einen entscheidenden Nutzen bringen.
Die Perspektive der Freiberufler ist schon vielfach erforscht. Weniger bekannt sind allerdings die Beweggründe der Unternehmen. Warum entscheiden sie sich für solche Modelle und was bedeutet es, wenn sie ein Vendor Management System oder die Nutzung einer Gigworker-Plattform einführen? Im Rahmen einer Doktorarbeit konnte Anna Tillmann ihre Erfahrung im täglichen Job ideal mit ihren Studien verknüpfen und aus erster Hand wertvolle Daten erheben.
Anna Tillmann beleuchtet zunächst das Vendor Management System (VMS). Damit ist eine – meist webbasierte – Software gemeint, über die ein Unternehmen ihre externen Arbeitskräfte z.B. für Projekte, Elternzeit-Ersatz oder ähnliche Bedarfe, verwalten kann. Sie digitalisiert den ganzen Prozess, von der Anfrage über die Beauftragung und die Abwicklung bis hin zum Bezahlprozess für alle externen Mitarbeitenden. Das VMS kann vom Unternehmen selbst oder auch von externen Dienstleistern wie einem Managed Service Provider (MSP) betrieben werden, der dieses innerhalb der betrieblichen Grenzen aufsetzt. Unternehmen können damit ihre bestehenden oder neuen externen Mitarbeitenden suchen, beauftragen und bezahlen.
Beim klassischen Gigwork-Modell, auch Upwork oder Crowdarbeit, wird die Plattform dagegen komplett von externen Drittanbietern betrieben, die in der Verantwortung stehen und diese Plattform aufbauen. Dieses Modell wird typischerweise für kleinere Aufträge genutzt.
Welches Modell Unternehmen auch wählen – jedes erleichtert Projekt- bzw. Gig-bezogenes Arbeiten und gibt ihnen die Flexibilität, die sie zur Erfüllung spezifischer Aufgaben benötigen. Bevor Unternehmen sich jedoch für ein bestimmtes Modell entscheiden, müssen sie untersuchen, wo ihre Bedarfe wirklich liegen und wie viel Unterstützung sie bei der Rekrutierung und Betreuung der externen Mitarbeitenden brauchen. Transparenz ist dabei das A und O. Und dabei gibt es in Deutschland nach Ansicht Anna Tillmanns noch Verbesserungsbedarf.
In Deutschland sind die Verantwortlichkeiten in den Unternehmen oft getrennt bzw. unklar: Der Personalbereich kümmert sich meist um die Festangestellten, während die externen Arbeitskräfte mehrheitlich vom Einkauf betreut werden. Das hat mit den streng regulierten Rechtsanforderungen zu tun. Was die beiden Abteilungen und ihre internen Kunden im Unternehmen allerdings vereint, ist der gemeinsame Bedarf an temporären Fach- und Führungskräften. Laut Anna Tillmann sind sich Unternehmen da einig:
„Wir müssen etwas ändern und letztendlich an einem Strang ziehen, damit Jobs oder bestimmte Projekte besetzt oder abgearbeitet werden können.“
Auch bei der Einführung eines VMS gilt es, sämtliche Stakeholder miteinzubeziehen. Denn während bestimmte Abteilungen die Implementierung eines Systems leiten, sind sie meist nicht diejenigen, die es am Ende nutzen.
„Externe Mitarbeitende haben vielleicht ganz andere Bedürfnisse als eine HR- oder eine Einkaufsabteilung. Für uns Einkäufer ist es wichtig, Transparenz zu haben. Andererseits priorisiert ein Fachbereich vielleicht eher die einfache Anwendung und dass man Leute schnell beauftragen kann.“
Gefragt sind also mehr Übersicht und ein Mittelweg, der sämtliche Stakeholder von Anfang an in den Prozess einbindet.
Ähnlich wie bei allen IT-Einführungen muss das VMS in die IT-Landschaft passen. Die Daten müssen fließen und die Schnittstellen funktionieren. Auch eine einfache Nutzung ist unerlässlich. Denn die unternehmensinternen Nutzer:innen, Freelancer oder Personaldienstleister müssen das System ohne große Schulung nutzen können, sonst wird es nicht akzeptiert.
Natürlich bringt die Software zum Management von externem Personal eine komplett neue Datenlandschaft mit sich. Die Frage ist: Wie können Unternehmen damit arbeiten, daraus Strategien und proaktive Maßnahmen ableiten?
Einkauf und HR müssen ihr Silo-Denken durchbrechen und die Daten, die der Markt der externen Beschäftigten liefert, kooperativ nutzen. Auch die Perspektive der verschiedenen Fachbereiche sollte bei der Analyse berücksichtigt und in das System integriert werden. „Nur gemeinsam können wir es schaffen, die Positionen, die gerade offen sind, zu besetzen und langfristig die richtigen Leute am richtigen Platz zu halten.“
Externe Anbieter, also Managed Services Provider, werden sich künftig vor allem durch ihre Beratungsfunktion auszeichnen. Statt zu generalisieren, müssen sie spezifische Kundenbedürfnisse anhand von Daten, Markttrends und Technologien deuten und eventuell mit KI erfüllen. Auch beim Thema demografischer Wandel – Was passiert, wenn die Baby Boomer in Rente gehen? – kann ein MSP eine bedeutende beratende Rolle einnehmen.
Kurz: Die Zusammenarbeit zwischen HR und Einkauf intern sowie die Beratungsfunktion des externen MSP sind wesentliche Elemente des künftigen Managements externer Mitarbeitender und zeigen die Wichtigkeit der eingangs erwähnten Flexibilität auf, die die Arbeitswelt künftig zum Erfolg braucht.
Weitere Insights von Anna Tillmann rund um das Thema plattformbasiertes Arbeiten aus der akademischen Perspektive finden Sie hier im Video.
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